Interview mit Ermittler Robert Fischer: Was tun bei vorgetäuschtem Krankenstand?
Ein plötzlicher Krankenschein – und kurz darauf tauchen Urlaubsbilder auf Social Media auf. Oder Mitarbeitende, die angeblich wegen Rückenproblemen ausfallen, werden beim Fußballtraining gesichtet. Immer mehr Unternehmen sehen sich mit Verdachtsfällen konfrontiert, in denen Krankmeldungen zweifelhaft erscheinen.
Doch was dürfen Arbeitgeber in solchen Fällen tun? Wann darf ein Detektiv eingeschaltet werden? Und wie schützt man sich dabei rechtlich?
Darüber sprechen wir mit Robert Fischer, Geschäftsführer der Detektei Kubon, spezialisiert auf arbeitsrechtliche Ermittlungen. Er gibt Einblicke in die rechtlichen Rahmenbedingungen, typische Fälle aus der Praxis – und klare Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber.
Herr Fischer, wie oft kommt es in Ihrer Praxis vor, dass Krankmeldungen vorgetäuscht werden?
Das passiert tatsächlich häufiger, als viele vermuten. Wir sprechen hier nicht von Einzelfällen – gerade in größeren Unternehmen mit Schichtbetrieb oder Außendienst kommt es regelmäßig zu Verdachtsmomenten. Mal erhält der Arbeitgeber anonyme Hinweise, mal sind es Beobachtungen von Kollegen. In etwa 8 von 10 der Einsätze bestätigt sich der Verdacht auf einen vorgetäuschten Krankenstand.
Was genau gilt eigentlich als „vorgetäuschter Krankenstand“ im rechtlichen Sinne?
Ein vorgetäuschter Krankenstand liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit bewusst vortäuscht oder sich trotz tatsächlicher Krankheit genesungswidrig verhält – etwa durch körperlich belastende Freizeitaktivitäten. Auch wer in der Krankschreibung bewusst falsche Angaben macht, etwa zur Dauer oder Ursache, handelt betrügerisch. Juristisch bewegen wir uns hier im Bereich der Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten bis hin zum Betrug nach § 263 StGB.
Wann dürfen Arbeitgeber einen Detektiv einsetzen?
Das geht nicht „einfach so“. Es braucht einen konkreten Verdacht, der auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruht. Reine Spekulationen reichen nicht. Ist der Verdacht allerdings begründet – z. B. durch auffälliges Verhalten, Aussagen Dritter oder widersprüchliche Krankheitsbilder – kann der Arbeitgeber eine Detektei beauftragen. Wichtig ist dabei immer die Verhältnismäßigkeit: Die Überwachung darf nicht exzessiv oder pauschal erfolgen.
Welche rechtlichen Grundlagen greifen bei solchen Überwachungen?
Entscheidend ist § 26 BDSG in Verbindung mit Art. 6 DSGVO. Der Einsatz eines Detektivs ist zulässig, wenn er zur Aufdeckung einer Straftat erforderlich ist und ein berechtigtes Interesse besteht. Arbeitgeber müssen dabei sorgfältig abwägen: Je gravierender der Verdacht, desto intensiver dürfen die Maßnahmen ausfallen. Wird ein Detektiv ohne klare Rechtsgrundlage eingesetzt, drohen Beweisverwertungsverbote und sogar Schadensersatzansprüche des Mitarbeiters.
Wie läuft eine Observation bei Verdacht auf vorgetäuschten Krankenstand typischerweise ab?
Zunächst führen wir ein Beratungsgespräch mit dem Arbeitgeber, prüfen die vorhandenen Informationen und erstellen ein rechtssicheres Einsatzkonzept. Danach beginnt die diskrete Beobachtung – meist im häuslichen Umfeld oder an bekannten Aufenthaltsorten. Wir dokumentieren Auffälligkeiten fotografisch, datiert und in neutraler Sprache. Ziel der Beobachtung ist stets eine diskrete und rechtlich verwertbare Beweissicherung, die dem Arbeitgeber eine fundierte Entscheidungsgrundlage liefert
Was passiert, wenn sich der Verdacht bestätigt?
Bestätigt sich der vorgetäuschte Krankenstand, kann der Arbeitgeber auf dieser Basis arbeitsrechtliche Schritte einleiten – von der Abmahnung bis zur fristlosen Kündigung. Unsere Dokumentationen wurden bereits mehrfach erfolgreich vor Arbeitsgerichten verwendet. Wichtig ist, dass die Nachweise eindeutig, objektiv und im Rahmen des Datenschutzrechts erhoben wurden.
Gibt es auch Fälle, in denen sich der Verdacht nicht bestätigt – und was passiert dann?
Ja, selbstverständlich. Es kommt durchaus vor, dass sich im Rahmen unserer Ermittlungen herausstellt, dass sich der Mitarbeiter korrekt verhält und der Verdacht unbegründet war. Auch das ist ein Ergebnis – nur eben nicht das erwartete. In solchen Fällen dokumentieren wir neutral, dass kein Fehlverhalten festgestellt wurde. Entscheidend ist, dass die Observation auf einem konkreten und nachvollziehbaren Anlass beruhte und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben durchgeführt wurde. Damit bleibt der Einsatz auch in solchen Fällen rechtlich zulässig. Für den Arbeitgeber bietet das Ergebnis Sicherheit und Klarheit – auch das ist ein wertvoller Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung.
Welche Fehler machen Arbeitgeber häufig beim Thema Detektiveinsatz?
Ein häufiger Fehler ist Übereifer – also zu schnelles Handeln ohne belastbare Grundlage. Ebenso problematisch sind unvollständige Dokumentationen oder Beauftragungen, die nicht den Datenschutzvorgaben entsprechen. Deshalb mein Rat: Wenden Sie sich frühzeitig an eine spezialisierte Detektei, sobald sich ein Anfangsverdacht ergibt. So bleibt genügend Zeit, die Situation fachlich einzuordnen, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu prüfen und ein rechtskonformes Ermittlungsmodell zu erarbeiten. Außerdem können unnötige Kosten vermieden werden, wenn sich der Verdacht frühzeitig relativiert. Und: Setzen Sie unbedingt auf erfahrene Ermittler, die mit arbeitsrechtlichen Standards vertraut sind – das ist entscheidend für die spätere Verwertbarkeit der Beweise.
Fazit: Was Arbeitgeber mitnehmen sollten
- Ein vorgetäuschter Krankenstand kann ein Kündigungsgrund sein – aber nur mit gerichtsfesten Beweisen.
- Der Einsatz von Detektiven ist zulässig, wenn ein konkreter Verdacht vorliegt und die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird.
- Arbeitgeber sollten unbedingt die Datenschutzregelungen einhalten und mit professionellen Ermittlern zusammenarbeiten.
- Bei Unsicherheit: Rechtsberatung einholen, bevor Maßnahmen eingeleitet werden.