Arbeitsgericht

Zuhilfenahme einer Detektei zulässig

Arbeitsgericht Herne hält die Beauftragung einer Detektei bei konkretem Verdacht auf Arbeitszeitbetrug und die Verwertung der Erkenntnisse im Kündigungsschutzverfahren für zulässig.

Gericht:

Arbeitsgericht Herne

Urteil:

vom 10.12.2021 – 5 Ca 1495/21

Buch Arbeitsrecht Richterhammer

Verdacht auf Arbeitszeitbetrug – Beauftragung einer Detektei datenschutzrechtlich zulässig

Arbeitsgericht Herne hält die Beauftragung einer Detektei bei konkretem Verdacht auf Arbeitszeitbetrug und die Verwertung der Erkenntnisse im Kündigungsschutzverfahren für zulässig

Immer wieder müssen sich Arbeitsgerichte mit dem Thema Arbeitszeitbetrug befassen. Dabei geht es häufig um die Frage, wie der Arbeitgeber belastbare Erkenntnisse bei Verdachtsmomenten gegen Arbeitnehmer gewinnen darf. In einem Urteil vom Dezember 2021 entschieden Arbeitsrichter am Arbeitsgericht Herne unter anderem darüber, inwieweit die Einschaltung einer Detektei datenschutzrechtlich zulässig war.

Die Richter haben dabei im Urteil umfassende Ausführungen zum Datenschutzrecht gemacht. Im Ergebnis halten sie die Beweiserhebung durch Detektive in diesem Fall für schutzwürdig gegenüber den Eingriffen in geschützte Grundrechte des betroffenen Arbeitnehmers.

Arbeitszeitbetrug – schwere Vertragsverletzung des Arbeitnehmers

Betrugshandlungen bei der Arbeitszeit können als besonders schwere Arbeitszeitverstöße und damit Verletzungen der vertraglichen Arbeitspflicht mit einer fristlosen Kündigung geahndet werden. Häufig ist es für den Arbeitgeber schwierig, den Arbeitszeitbetrug nachzuweisen. Hier ist er auf technische Kontrolleinrichtungen und unter Umständen auf die Einschaltung einer Detektei angewiesen.

Immer kommt es in diesem Zusammenhang zu Grundrechtseingriffen gegenüber dem Arbeitnehmer. Diese können datenschutzrechtlich bedenklich sein. Jedoch kann der Arbeitgeber nicht rechtlos gestellt werden. Hier muss es zu einer Interessenabwägung kommen.

Die Arbeitsgerichte urteilen immer häufiger im Sinne des Arbeitgebers. Letztlich kommt es auf die Umstände des einzelnen Falles an. Der Arbeitgeber darf aber einiges tun, um den Sachverhalt zu ermitteln. Im Einklang mit dem Datenschutzrecht sehen dabei die Richter nur Aktivitäten des Arbeitgebers, die sich auf einen konkreten Verdachtsmoment beziehen und verhältnismäßig sind.

Ermittlungen ins Blaue hinein widersprechen dem geltenden Datenschutzrecht. Dieser Gesichtspunkt ist auch entscheidungsrelevant in dem Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 10. Dezember 2021 (AZ 5 Ca 1495/21).

Worum geht es in dem entscheidungsrelevanten Fall?

Der betroffene Arbeitnehmer X ist Angestellter der Stadt A in der Straßenreinigung. Die Stadt unterhält dabei verschiedene Einsatzfahrzeuge. Ihnen werden immer wieder wechselnd Gruppen von Arbeitnehmern für die Reinigung zugeordnet.

Einsatzpläne bestimmen darüber, in welchen Bereichen des Stadtgebietes die Fahrzeuge und ihre Besatzung Reinigungsarbeiten durchführen. Die Einsatzorte für die Reinigungskräfte sind im öffentlichen Straßenraum gelegen. Die Stadt A hat deshalb zunächst keine unmittelbare Kontrolle darüber, wo sich welches Fahrzeug zu welcher Zeit genau aufhält.

Auch das Fahrtenbuch gibt darüber keinen Aufschluss. Die Verantwortlichen der Stadt A wurden mehrfach von Kollegen in der Stadt B darauf aufmerksam gemacht, dass sich eines ihrer Reinigungsfahrzeuge im Stadtgebiet B aufgehalten habe. Hier stand der Verdacht im Raum, dass die Besatzung des Reinigungsfahrzeugs ohne dienstlichen Auftrag außerhalb ihres Einsatzbereiches unterwegs sei und privaten Tätigkeiten nachgehe.

Zur Aufklärung des Sachverhalts beauftragten die Fehlvertreter der Stadt A eine Detektei. Sie beobachtete und folgte dem betreffenden Einsatzfahrzeug und seiner Besatzung über mehrere Tage hinweg. Die Detektive bestätigten, dass die Mitarbeiter im Einsatzfahrzeug häufig arbeitsfremden Tätigkeiten nachgehe. Unter anderem zählten dazu Aufenthalte auf einem Parkplatz, Einkäufe und Knobelspiele. Der Beteiligte X wurde daraufhin fristlos gekündigt.

Mit einer Kündigungsschutzklage wehrt er sich fristgerecht gegen die Kündigung. Maßgebliches Argument ist dabei die Unzulässigkeit der Beobachtung durch eine Detektei.

Begründung Arbeitsgericht Herne: Ermittlungen durch eine Detektei zulässig

Die Arbeitsrichter gaben am Ende der Kündigungsschutzklage des Klägers statt. Sie stützen sich bei ihrer Begründung nicht auf die Unzulässigkeit der Ermittlungen durch den Arbeitgeber.

Vielmehr waren sie der Auffassung, dass in diesem individuellen Fall mildere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um den Arbeitnehmer X zu vertragsgemäßem Verhalten anzuleiten. Dies insbesondere auch mit Blick auf die fast 28-jährige Betriebszugehörigkeit des X, dessen Alter und Umstände.

Unter welchen Umständen darf ermittelt werden?

Ausdrücklich haben die Richter ausgeführt, dass die Beauftragung der Detektei, die Beobachtung der Arbeitnehmer und die Verwertung der Erkenntnisse aus diesen Ermittlungen im Kündigungsverfahren zulässig waren. Zwar stelle die Observation durch Detektive Eingriffe in verschiedene Persönlichkeitsrechte des Klägers dar. Jedoch hatte der Arbeitgeber keine anderen Möglichkeiten, auf den konkreten Verdacht hin die Arbeitnehmer zu kontrollieren. Auch sei die verdeckte Ermittlung nicht im privaten Umfeld der Arbeitnehmer erfolgt.

Wer auf öffentlichem Straßenland seine Arbeitsleistung erbringe, müsse mit Kontrollmaßnahmen des Arbeitgebers jederzeit rechnen. Die Richter sahen die Ermittlungsmaßnahmen als verhältnismäßig an, nachdem sie eine entsprechende Interessenabwägung durchgeführt haben.

Zusammenfassung und Bewertung des Urteils

Das aktuelle Urteil des Arbeitsgerichts Herne bietet einen guten Überblick dazu, wie Arbeitsrichter sich mit dem Datenschutz im Zusammenhang mit Ermittlungsmaßnahmen auseinandersetzen.

In diesem einzelnen Fall hatte die fristlose Kündigung keinen Bestand. Sie hätte aber wirksam sein können, wenn nicht andere Faktoren zugunsten des Arbeitnehmers gewertet worden wären. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Sie knüpft maßgeblich an die lange Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers X an.

Für Arbeitgeber ist dieses Urteil richtungsweisend. Es wird deutlich, dass sie bei einem konkreten Vertrag auf Arbeitszeitbetrug verdeckte Ermittlungen beauftragen dürfen. Hier überwiegen die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer nicht. Insbesondere das informationelle Selbstbestimmungsrecht muss hinter dem konkreten Tatverdacht und dem Aufklärungsbedürfnis des Arbeitgebers zurückstehen.

Dabei ist zu beachten, dass keine milderen Mittel zur Verfügung stehen dürfen, wenn die Verhältnismäßigkeit zwischen Grundrechtseingriff und Ermittlungstätigkeit gewahrt werden soll.

Die Thematik Datenschutzrecht versus Kontrollrechte des Arbeitgebers wird immer wichtiger. Unter anderem durch die weitere Verbreitung des Homeoffice. Es wird nicht das letzte Urteil zum Arbeitszeitbetrug und der Kontrolle durch den Arbeitgeber gewesen sein.

Wir unterstützen Arbeitgeber bei der Aufklärung von konkreten Verdachtsmomenten bei Arbeitszeitbetrug und ähnlichen Sachverhalten. Häufig dienen unsere Erkenntnisse dazu, maßgebliche Arbeitsverhältnisse anders aufzulösen als durch Kündigung. In vergleichbaren Fällen hat sich nach unserer Erfahrung ein Aufhebungsvertrag bewährt. Die Arbeitsvertragsparteien beenden einvernehmlich das Arbeitsverhältnis. Häufig lassen sich Arbeitnehmer durch unsere Ermittlungen davon überzeugen, der Aufhebung zuzustimmen.

Arbeitgeber müssen in keinem Fall schwerwiegende Arbeitsvertragsverletzungen ihrer Arbeitnehmer hinnehmen. Sie können bei konkretem Verdacht aktiv werden und private Ermittler zur Unterstützung heranholen. Wie dieses Urteil zeigt, dürfen sie entsprechende Ermittlungsmaßnahmen einleiten, wenn diese verhältnismäßig sind. Die Beauftragung von Detektiven wird dabei als verhältnismäßig angesehen, wenn sich ein Verdacht bereits konkretisiert hat und keine milderen Mittel zur Aufklärung gegeben sind.

Die Unterscheidung zwischen verhältnismäßigen und nicht verhältnismäßigen Eingriffen in Persönlichkeitsrechte durch Ermittlungen mag im Einzelfall schwierig sein. Wir stehen unseren Kunden mit unseren Erfahrungen aus verschiedenen Fallgestaltungen zur Seite.

Die Arbeitsrichter in Herne haben die Grundsätze der Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitnehmers an seinen Persönlichkeitsrechten und denen des Arbeitgebers an der Einhaltung des Arbeitsvertrages mit diesem Urteil deutlich präzisiert.

Arbeitgeber sollten darauf achten, auch bei konkreten Verdachtsmomenten nicht vorschnell Ermittlungen einzuleiten, deren Erkenntnisse möglicherweise am Ende vom Gericht nicht verwertet werden können. Hier muss immer geprüft werden, ob eventuell ein milderes Mittel als eine verdeckte Ermittlung einen belastbaren Erkenntnisgewinn bringen könnte. Wer als Arbeitgeber zunächst einen kühlen Kopf bewahrt und seine Optionen prüft, hat gute Chancen gegen Arbeitszeitbetrüger.

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